Covid-19 und Lebensbedingungen in der Schweiz (SILC)

| Letzte Aktualisierung: 06.10.2021

Bild – experimental statistics

Ausgangslage

Seit Beginn der Covid-19-Pandemie im Frühling 2020 ist es zu weitreichenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Einschränkungen gekommen, die die Lebensbedingungen der Schweizer Wohnbevölkerung verändert haben. Mit der Erhebung über die Einkommen und Lebensbedingungen (SILC), die jährlich detaillierte Informationen zur Armut und zu den Lebensbedingungen in der Schweiz liefert, können die Auswirkungen der Pandemie auf die Lebensbedingungen gemessen und hier im zweiten Jahre in Folge dargestellt werden.

Die Interviews für die SILC 2021 fanden von Januar bis Juni 2021 statt.

Ziele

Anhand experimenteller Analysen sollen zeitnah Informationen zum Umgang der Schweizer Wohnbevölkerung mit der anhaltenden Covid-19-Pandemie bereitgestellt werden. Die aktuellsten subjektiven Einschätzungen zu den wichtigsten Lebensbereichen (persönliche Beziehungen, Gesundheit, finanzielle Situation, Gefühl von Glück, Arbeitsplatzsicherheit, Vertrauen in das politische System usw.) wurden mit den Ergebnissen von 2020 – vor Ausbruch der Pandemie im März 2020 und ab dem ersten partiellen Lockdown – verglichen und den Ergebnissen von 2019 gegenübergestellt. Zusätzlich werden hier die ersten Ergebnisse der Erhebung SILC 2021 zu Fragen in Zusammenhang mit der Pandemie (Covid-Modul) präsentiert.

Um die Ergebnisse der beiden Teile der Erhebung 2020 sowie der Erhebung 2021 für die Gesamtbevölkerung korrekt zu schätzen und möglichst schnell zu veröffentlichen, wurde eine experimentelle Gewichtung entwickelt (Details siehe Methodik).

Ergebnisse

Die Schweizer Wohnbevölkerung ab 16 Jahren ist mit ihrer allgemeinen Lebenssituation insgesamt sehr zufrieden. Daran hat die Covid-19-Pandemie seit März 2020 kaum etwas geändert. In Bezug auf die persönlichen Beziehungen und den selbst wahrgenommenen Gesundheitszustand hat die Pandemie die Zufriedenheit der Schweizer Wohnbevölkerung 2021 im Vergleich zu 2020 und 2019 ebenfalls nicht signifikant beeinflusst.

Deutlich zurückgegangen ist seit März 2020 hingegen der Anteil Personen, die sich ständig oder häufig als glücklich bezeichnen (Gefühl von Glück). Er lag 2021 allerdings immer noch bei 73,9%. Der Anteil der Personen, die mit ihrem jetzigen Leben sehr zufrieden sind, verringerte sich im Jahr 2021 deutlich auf 36,6% der Bevölkerung.


Das Vertrauen der Schweizer Bevölkerung in das politische System der Schweiz gehört zu den höchsten in Europa und ist mit der Gesundheitskrise nochmals gestiegen. Die Personen, die im Jahr 2020 (ab dem 16. März) und 2021 befragt wurden, gaben häufiger ein grosses oder sehr grosses Vertrauen in das politische System der Schweiz an als jene, die vor der Gesundheitskrise befragt wurden. Am stärksten stieg das Vertrauen bei Personen ab 65 Jahren, Frauen, Schweizer Staatsangehörigen, deutschsprachigen Personen sowie Personen mit höherem Bildungsgrad (Sekundarstufe II oder Tertiärstufe).

Dieser Vertrauenszuwachs hebt sich 2021 jedoch tendenziell wieder auf, auch wenn der leichte Rückgang seit Beginn der Gesundheitskrise in den meisten analysierten Bevölkerungskategorien nicht signifikant ist. Für Personen mit einer Ausbildung der Sekundarstufe II und solchen, die in mässig besiedelten Gebieten wohnen, liegt das Vertrauen in das politische System der Schweiz auf dem gleichen Niveau wie vor der Krise, d.h. vor März 2020.

Nach Wirtschaftszweig und bei Personen aus Haushalten mit tiefem Einkommen (1. Quintil) sind keine statistisch aussagekräftigen Unterschiede festzustellen.
 


Die subjektive Einschätzung der finanziellen Situation des Haushalts hat sich im Jahr 2021 verändert. Der Anteil der Personen in einem Haushalt, für den es leicht oder sehr leicht ist, finanziell über die Runden zu kommen, hat sich gegenüber 2020 erhöht, sowohl im Vergleich zur Situation vor als auch während dem ersten partiellen Lockdown. Im Verhältnis zu 2019 hat er ebenfalls zugenommen. Dieser Anstieg ist in allen Altersklassen, Wohngebieten, Interviewsprachen und Einkommensklassen zu beobachten.

Gleichzeitig hat sich der Anteil der Personen in einem Haushalt, der Schwierigkeiten hat, finanziell über die Runden zu kommen, verringert (von 12,2% im Jahr 2019 auf 8,5% im Jahr 2021).
 


Das Haushaltseinkommen hat sich durch die Coronakrise stark verändert. 2021 lebten 20% der Bevölkerung in einem Haushalt, dessen Einkommen nach eigenen Angaben in den letzten zwölf Monaten gesunken ist, und 11,3% meldeten, dass ihr Einkommen aufgrund der Covid-19-Pandemie zurückgegangen sei.

Mehr als ein Drittel der Personen im Wirtschaftszweig Gastgewerbe und Beherbergung nennt einen Einkommensrückgang in Verbindung mit der Coronakrise. Die einkommensschwächsten sowie ausländische Personen sind besonders stark von einem (selbsteingeschätzten) pandemiebedingten Einkommensrückgang betroffen. Am wenigsten betroffen sind Personen ab 65 Jahren und solche, die in der öffentlichen Verwaltung arbeiten.
 


Nahezu 50% der Erwerbstätigen konnten während der Covid-19-Pandemie zuhause arbeiten. Diese Möglichkeit nimmt mit dem Alter, dem Bildungsniveau und dem Einkommensniveau deutlich zu. Wie zu erwarten, waren jene Wirtschaftszweige finanziell am stärksten von der Coronakrise betroffen, in denen Home-Office nur schwer oder gar nicht möglich ist (Gastgewerbe und Beherbergung sowie Kunst, Unterhaltung und Erholung). Zwischen Frauen und Männern sowie nach Interviewsprache ist kein statistisch signifikanter Unterschied festzustellen.
 


Eine der grössten Sorgen, die zu Beginn der Pandemie geäussert wurden, betraf die künftige finanzielle Situation. Nachdem die Arbeitsplatzsicherheit ab dem ersten partiellen Lockdown im März 2020 deutlich negativer eingeschätzt worden war, stieg diese 2021 wieder. Der Anteil der Erwerbstätigen, die das Risiko, in den nächsten zwölf Monaten arbeitslos zu werden, als sehr gering einschätzen, ist von 53,5% zu Beginn der Pandemie im Jahr 2020 auf 60,5% im Jahr 2021 gestiegen, liegt aber immer noch unter dem Wert von 2019 (64,6%).

2021 erreichte die subjektive Arbeitsplatzsicherheit bei Schweizer Staatsangehörigen, Personen mit Tertiärabschluss und jenen in einkommensstarken Haushalten beinahe wieder das Niveau vor der Pandemie. Bei ausländischen Personen, Französischsprachigen und Personen in einkommensschwachen Haushalten blieb die subjektive Arbeitsplatzsicherheit trotz des wiedergewonnenen Vertrauens weiterhin deutlich unter dem Niveau vor der Pandemie.

Auch bei den Personen des Wirtschaftszweigs Gastgewerbe und Beherbergung sowie Kunst, Unterhaltung und Erholung ist das Vertrauen deutlich gesunken. Während 2019 insgesamt 58,3% bzw. 72,1% ein geringes Arbeitsverlustrisiko angaben, waren es 2021 nur noch 41% bzw. 43,9%. Kein Rückgang der selbst eingeschätzten Arbeitsplatzsicherheit ist in den Wirtschaftszweigen zu beobachten, die weniger stark von der Coronakrise betroffen waren, wie die öffentliche Verwaltung oder Erziehung und Unterricht.
 


Die Covid-19-Pandemie wirkt sich auch auf die Möglichkeiten der Freizeitbeschäftigungen aus. Der Anteil Personen, die keine Möglichkeit haben, mindestens einmal im Monat mit Freundinnen, Freunden oder Familienmitgliedern essen zu gehen oder auswärts einer regelmässigen Freizeitbeschäftigung nachzugehen, die etwas kostet, ist 2021 signifikant gestiegen. Der Anteil Personen, die nicht mit Freunden oder Familienmitgliedern etwas essen oder trinken gingen, stieg von 6,4% im Jahr 2019 auf 8,2% im Jahr 2021. Jedoch nur 2,8% verzichteten aus finanziellen Gründen darauf (im Vergleich zu 3,8% im Jahr 2019). Der grösste Anstieg war bei den Personen in der höchsten Einkommensklasse zu verzeichnen. Sie verzichteten im Vergleich zu 2019 nahezu viermal häufiger aus irgendeinem Grund darauf, mit Freundinnen, Freunden oder Familienmitgliedern etwas essen oder trinken zu gehen (2019: 1,0%; 2021: 3,9%). Diese Werte liegen immer noch deutlich unter jenen der übrigen Einkommensklassen (1. Einkommensquintil: 16,5%, mittlere Einkommenskquintile: 7,0%). Finanzielle Gründe spielen somit im Jahr 2021 eine weniger wichtige Rolle als noch vor der Pandemie.
 



Die Pandemie hat die Stimmungslage der Bevölkerung stark beeinflusst. 2021 gaben 40,2% der Bevölkerung ab 16 Jahren an, dass sich ihre Stimmungslage aufgrund der Covid-19-Pandemie verschlechtert hat. Deutlich am stärksten betroffen waren die 16- bis 24-Jährigen (55,1%), gefolgt von Personen mit einer Tertiärausbildung (44,8%) und Personen der höchsten Einkommensklasse (45,1%).

Personen aus dünn besiedelten Gebieten machte die Pandemie in Bezug auf ihre Stimmungslage weniger stark zu schaffen als Personen in dicht besiedelten Regionen. Am wenigsten stark beeinträchtigte die Pandemie die Stimmungslage der Personen ab 65 Jahren (26%). Nach Geschlecht, Nationalität, Interviewsprache und Wirtschaftszweig ist kein statistisch signifikanter Unterschied festzustellen.
 


Die ausführlichen Resultate für alle Indikatoren und Untergruppen sind als Excel-File hierunter verfügbar.

Dokumentation



Methodik

Die Schätzungen für 2020 und 2021 basieren auf den provisorischen und experimentellen, noch nicht veröffentlichten Ergebnissen der SILC-20 und der SILC-21.

Da das Profil der Teilnehmenden nicht mit jenem der Nichtantwortenden übereinstimmt, spielt die Gewichtung eine wichtige Rolle für eine Extrapolation zur Referenzbevölkerung.

Die Gewichtung der SILC-19 entspricht der definitiven Standardgewichtung, während bei der SILC-20 (vor und nach dem partiellen Lockdown) und der SILC-21 eine experimentelle Gewichtung verwendet wurde.

Die Standard-Querschnittsgewichtung der SILC wird in der Regel rund zehn Monate nach Abschluss der Felderhebung erstellt. Diese Verzögerung ist darauf zurückzuführen, dass die Ergebnisse zunächst auf ihre Vollständigkeit kontrolliert und konsolidiert werden müssen. Zudem gilt es, die Registerdaten (für die Erhebung 2021 erst ab März 2022 verfügbar) zu integrieren, um diese Gewichtung zu produzieren. Die Arbeiten zur Qualitätskontrolle und zur Integration der Registerdaten betreffen die hier untersuchten subjektiven Variablen jedoch nur sehr geringfügig.

Um die Informationen zu den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf das Wohlbefinden der Schweizer Wohnbevölkerung im ersten Halbjahr 2020 und 2021 früher veröffentlichen zu können, wurde eine provisorische, experimentelle Gewichtung berechnet. Sie umfasst eine einheitliche Korrektur der gesamten Antwortausfälle ohne Berücksichtigung Spezifizitäten der Profile. Diese Option wird durch einige fehlende Hilfsvariablen (der Profile) begründet, die normalerweise bei der Standardgewichtung für die Korrektur der Antwortausfälle verwendet werden.

Um die potenzielle Verzerrung, die durch totale Antwortausfälle hervorgerufen wird, zu korrigieren, wurde für die provisorische, experimentelle Gewichtung eine abschliessende Kalibrierung angewendet. Diese stützt sich auf die gleichen Dimensionen wie die abschliessende Kalibrierung der Standardgewichtung, beruht aber auf den Informationen der Hilfsvariablen aus den Registern vom Dezember 2019 anstatt vom Dezember 2020 (letztere sind erst im März 2022 verfügbar). Die experimentelle Gewichtung, die für die Auswertung der im Rahmen der Covid-19-Pandemie erhobenen Daten der SILC-21 verwendet wird, bezieht sich somit auf die Bevölkerung von Ende 2019 und nicht von Ende 2020, wie sie für die Standardgewichtung für die SILC-21 herangezogen wird. Auf die experimentellen Auswertungen der SILC-20 wurden die gleichen Verschiebungen angewendet.

Für die abschliessende Kalibrierung wurden folgende Variablen aus den Registern verwendet:

  • Zivilstand (SRPH)
  • Geschlecht (SRPH)
  • Staatsangehörigkeitsgruppe – vier Kategorien (SRPH)
  • Familientyp (SRPH)
  • Haushaltsgrösse (SRPH)
  • Grossregion (SRPH)
  • Armutsgefährdung bei 60% des Medians des Haushaltsäquivalenzeinkommens (ZAS)
  • Indikator für ein Haushaltsäquivalenzeinkommen < P10 (ZAS)
  • Indikator für ein Haushaltsäquivalenzeinkommen < P50 (ZAS)
  • Indikator für ein Haushaltsäquivalenzeinkommen < P20 (ZAS)
  • Indikator für ein Haushaltsäquivalenzeinkommen > P80 (ZAS)


Diese Variablen überschneiden sich teilweise mit den Hilfsvariablen, die bei der Standardgewichtung für die Korrektur der Antwortausfälle verwendet werden. Folgende Hauptdimensionen werden nicht berücksichtigt:

Variablen aus den Registern:

  • Haushaltszusammensetzung nach Staatsangehörigkeit
  • Familientyp und Anzahl Kinder
  • Haushaltszusammensetzung nach Geschlecht
  • Gemeindetypologie – acht Kategorien
  • Staatsangehörigkeitsgruppe – zwei Kategorien
  • Grösse der Wohngemeinde des Haushalts
  • Ergänzungsleistungen im Haushalt
  • Anzahl Arbeitslosenhilfen im Haushalt
  • Anzahl Invalidenrenten im Haushalt
  • Anzahl Altersrenten im Haushalt
  • Anzahl Erwerbseinkommen im Haushalt
  • Umzüge (Wechsel des Gebäudes) in den letzten zwei Jahren
  • Wohnfläche pro Haushaltsmitglied

Variablen aus der ersten Befragungswelle der SILC-Erhebung, die für die zweite Welle benutzt werden:

  • Erwerbsstatus – vier Kategorien
  • Armutsgefährdung bei 60% des Medians des Haushaltsäquivalenzeinkommens
  • Materielle Entbehrung, drei von neun Elementen
  • Typ der höchsten Ausbildung im Haushalt
  • Interesse für Politik
  • Miete und Wohnkosten
     

Die Unterteilung der Erhebungsteilnehmenden an der SILC-20 (vor und während des partiellen Lockdowns) erfordert eine Korrektur der verschiedenen Profile der Befragten, d.h. jener, die am Anfang (höhere Mitwirkung an der Statistik) und am Ende der Erhebung teilgenommen haben. Hierzu wurde die Nettostichprobe der vor dem 16. März befragten Personen separat von jener der zwischen dem 16. März und dem 20. Juni (partieller Lockdown in der Schweiz) befragten Personen behandelt. Dadurch entsprechen beide Nettoteilstichproben jeweils der Bevölkerung von Dezember 2018.
Für die SILC-21 wurde keine solche Trennung vorgenommen.

Die Streuung der Gewichte bei der experimentellen Gewichtung SILC-20 und SILC-21 in Bezug auf Covid-19 ist mit der Standardgewichtung SILC-19 vergleichbar.

Die Standardproduktion der Einkommen ist für diese experimentelle Diffusion nicht fristgerecht realisierbar, da die entsprechenden Registerdaten noch nicht verfügbar sind. Um die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie dennoch nach Einkommensklasse des Haushalts differenzieren zu können, wurden die Erhebungsteilnehmenden im Rahmen des Haushaltsfragebogens nach ihrem gesamten Haushaltseinkommen zum Zeitpunkt des Interviews befragt. Damit die unterschiedlich grossen Haushalte miteinander vergleichbar sind, wurde auf diese Schätzung eine Äquivalenzskala angewendet. Eine Analyse hat gezeigt, dass die Kohärenz zwischen den Quintilen des geschätzten Äquivalenzeinkommens des Haushalts und den Quintilen des tatsächlich verfügbaren Äquivalenzeinkommens (SILC-19) ausreicht, um das geschätzte Haushaltseinkommen als Differenzierungsmerkmal zu verwenden. Dabei ist zu beachten, dass sich der Standard des verfügbaren Äquivalenzeinkommens für die SILC auf das Einkommen des Jahres vor dem Interview bezieht, das geschätzte Gesamteinkommen des Haushalts hingegen auf den Interviewzeitpunkt.